Vom Vb-Tief zum Zentraltief

Die Entwicklung des Tiefdruckgebietes „Gabriel“ beeinflusste vom Ende der ersten zur zweiten Julidekade weite Teile Mitteleuropas mit ergiebigen Niederschlägen.

Vb-Tief

1881 kategorisierte der Meteorologe Prof. Dr. Wilhelm Jacob van Bebber, tätig an der Deutschen Seewarte in Hamburg, zur Verbesserung der Prognose Zugbahnen von Tiefdruckgebieten (Zyklonen), die er in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts untersucht hatte. Die am häufigsten vorkommenden Zyklonenstraßen nummerierte er mit römischen Zahlen von I bis V.

Er legte damit schon einen Grundstein für die gut 60 Jahre später erfolgende Großwetterlagenklassifikation nach Franz Baur und noch weitere 10 Jahre später durch Paul Hess und Helmuth Brezowsky, auch wenn diese Zugbahnen in der Meteorologie heute nur noch wenig Bedeutung haben, da Modell gestützte Vorhersagen heutzutage die Zugbahnen und die Entwicklung von Tiefdruckgebieten übernommen haben. Die Klassifizierung von Großwetterlagen wird inzwischen vom Deutschen Wetterdienst als objektive Wetterlagenklassifikation für die monatliche Beschreibung der aufgetretenen Wetterlagen fortgeführt. Von den van Bebberschen Zugstraßen ist nur noch die Vb-Lage von Bedeutung.

Zugstraßen der Zyklonen, 1876 -1880, Prof. Dr. van Bebber, 1891
(Quelle: Deutscher Wetterdienst)

Vb-Tiefs entstehen über Norditalien, von wo aus sie die feuchte Mittelmeerluft am Ostrand der Alpen, meist auf der Vorderseite eines über Mitteleuropa liegenden Höhentroges, nach Norden lenken. Hebungsprozesse im Tief sorgen für ein Aufgleiten der warmen und feuchten Luft auf kalte Luft am Boden, wodurch der enthaltende Wasserdampf kondensiert und großflächig als Niederschlag wieder ausfällt. Die meist ergiebigen Niederschläge können Auslöser für Hochwassersituationen werden, wie z.B. an der Oder im Juli/August 1997, an Elbe und Donau im August 2002 oder im Mai/juni 2013 an fast allen Flüssen in weiten Teilen Mitteleuropas.

Zentraltief

Hat sich ein umfassendes Tiefdruckgebiet über einem Gebiet etabliert, spricht man von einem Zentraltief. Dieses lenkt als steuerndes Tief an seinem Rand auch kleinere Tiefdruckgebiete um sich herum. Die Folge ist meist wiederholt Niederschlag, der auch länger andauern kann, da kaum eine Verlagerung des Systems erfolgt, was somit zu flächendeckenden Überschwemmungen führen kann.

Zentraltieflage, Graphik: (c) Jürgen Heise

Entwicklung von Tief „Gabriel“

Im 500 hPa-Niveau reichte am 08.07.2025 ein Höhentrog von Norwegen über Deutschland nach Italien, dieser ist in den folgenden Tagen nach Osten geschwenkt. Auf der Südseite der Alpen entstand im Bodenniveau das Tiefdruckgebiet „Gabriel“ (Leetief), es wurde entsprechend der auf der Trogvorderseite herrschenden südlichen Strömung am Ostrand der Alpen nach Norden gelenkt.

Ausschnitt aus der 500 hPa- und der Bodenkarte, 08. bis 13.07.2025, jeweils 00 UTC (Quelle: Berliner Wetterkarte e.V.)

Aus dem Trog bildete sich ein umfassendes Höhentief aus, das sich unter nur leichter Abschwächung langsam nach Westen verlagert hat. Unter diesem ist der Schwerpunkt des regenreichen Tiefs „Gabriel“ im Verlauf von Norditalien über Polen nach Deutschland gezogen. Es wurde zum Zentraltief, das sich nur noch langsam verlagert.

Niederschlagsmengen entlang der Zugbahn von Tief „Gabriel“

Mit der im Bereich des Tiefs „Gabriel“ aufsteigenden Mittelmeerluft bildeten sich bei der Verlagerung des Tiefs in kühlere Regionen durch Kondensation des Wasserdampfes zunehmend Wolken und daraus Niederschlag.

Schwerpunkt waren zunächst die Gebiete zwischen den Alpen und der Hohen Tatra mit 82,9 l/m2 in Zakopane in 24 Stunden bis um 06 UTC am 09.07.2025. Dann verlagerte sich zwar das Zentrum der Niederschlagsaktivität weiter nach Osten, doch kamen in Zakopane noch einmal 29,5 l/m2 obendrauf. Im rumänischen Ocna Șugatag waren es bis zum 10.07.2025, 06 UTC, 55,1 l/m2.

24-stündige Niederschlagsmengen bis zum 09.07.2025, 06 UTC (Quelle: MeteoIQ)
24-stündige Niederschlagsmengen bis zum 10.07.2025, 06 UTC (Quelle: MeteoIQ)

Weitere 24 Stunden später war es die Ukraine, die lokal mehr als 100 l/m2 verzeichnete: Brody 106 l/m2 und Yahotyn 244 l/m2. Doch bekam auch der Nordosten Deutschlands vor dem Tiefzentrum viel Niederschlag ab: Rattey 61,1 l/m2.

24-stündige Niederschlagsmengen bis zum 11.07.2025, 06 UTC (Quelle: MeteoIQ)

Zunehmend konzentrierten sich die Niederschläge auf die Gebiete rund um die Oder, aber auch Bornholm meldete am Morgen des 12.07.2025 31,1 l/m2.

24-stündige Niederschlagsmengen bis zum 12.07.2025, 06 UTC (Quelle: MeteoIQ)

Zuletzt lag der Schwerpunkt der Niederschläge in Brandenburg und den angrenzenden Regionen. Verbreitet wurden bis Sonntag, 13.07.2025 um 06 UTC, mehr als 40 l/m2 registriert. Teils lagen die 24-stündigen Summen auch darüber, wie in Buckow/Märkische Schweiz mit 70,6 l/m2.
Fast der gesamte Osten des Stadtgebiets von Berlin sowie die Gemeinden am Rand verzeichneten bis zum 13.07.2025 ebenfalls mehr als 50 l/m2: Ahrensfelde 51,2 l/m2, Berlin-Marzahn 54,5 l/m2, Berlin-Biesdorf 54,6 l/m2, Berlin-Schmöckwitz 50,3 l/m2.

Vom 08.07.2025, 06 UTC, bis 15.07.2025, 06 UTC, fielen in Berlin-Marzahn 82,9 l/m2, in Buckow/Märkische Schweiz 118,0 l/m2.
Das sind mehr als die Mengen, wie sie im gesamten Monat Juli im Berliner Raum zu erwarten sind.

24-stündige Niederschlagsmengen bis zum 13.07.2025, 06 UTC (Quelle: MeteoIQ)

Kurzzeitig hatte die Niederschläge um das zweite Juliwochenende Auswirkung auf den Wasserstand einzelner Flüsse, wie z.B. der Wuhle, wo am Morgen des 13.07.2025 mit 117,4 cm der bisher höchste Wasserstand des Jahres gemessen wurde.

Wasserstand der Wuhle am Pegel Eisenacher Straße, Berlin-Marzahn (Quelle: Wasserportal Berlin)

Nicht nur die Flüsse, auch der Bodenwasserspeicher selbst reagierte bei den ergiebigen Niederschlägen rasch, zumindest in den oberen Bodenschichten, wie das Bodenfeuchteprofil für Berlin-Marzahn zeigt.

Bodenfeuchteprofil, Berlin-Marzahn, 04. bis 13.07.2025 (Quelle: Deutscher Wetterdienst)

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